3 Nov 2021

Endlich wieder schreiben: Schreib-Workshops am BORG

Einen Tag nach dem Fallen der Covid-Beschränkungen für den Schulbesuch wurde am BORG Deutschlandsberg ein Kreativ-Schreibworkshop mit dem Stainzer Autor Mike Markart abgehalten – im Pausenhof, mit gebührendem Sicherheitsabstand. Anspruchsvolles Thema der Veranstaltung: ein digitales Geheimnis.

Nach Vorbereitungen im Distanz Learning-Verfahren durch Prof. Karl Kogler traf sich der renommierte Schriftsteller im Juni und Juli dreimal mit interessierten Schülerinnen und Schülern, um literarische Kurztexte zum Thema zu betreuen. Eine besondere Herausforderung stellte aber ein spezielles Schreibprojekt dar. Es wurde ein gemeinsam verfasster Digitaltext, eine digitale Anschlussgeschichte via E-Mail im Stille-Post-Modus erarbeitet. Ermöglicht wurde dieses spannende Projekt für kreatives Schreiben durch die Abteilung „Schulkulturbudget für Bundesschulen“ des oead.

Dr. Karl Kogler

 

 

Zwei Beispiele aus dem Projekt: die Anschlussgeschichte „Tick,“ und ein Schülertext.

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Tick,

Von C. P.; K. K., I. S.; E. S.; M. K.

Ich habe länger überlegt, ob ich davon noch einmal anfangen soll.

Aber natürlich dürfen wir es nicht darauf beruhen lassen, was meinst du?

Was so eigenartig an diesen Tagen ist, ist das ewige Ticken in meinem Kopf. Tick, Tack, Tick Tack, Tick, Tack. Ich wache auf und da ist es, ich lege mich ins Bett und da ist es, ich versuche zu arbeiten, und da ist es. Ich habe meinen Wecker abgestellt und die Fenster geschlossen, ich habe geraucht und getrunken, ich habe meditiert und nach Ablenkungen gesucht. Starrte ich in den Fernseher, so musste ich die Lautstärke so weit hochdrehen, dass sie nicht nur das Ticken überstimmte, sondern auch all meine Gedanken. Ich wandte mich zu Kopfhörern und Sport, versuchte vor dem Ticken wegzulaufen, doch wie kann man etwas überholen, das ein Teil seiner selbst ist. Ich fragte mich, ob ich tot sei, oder in einem Koma lag, denn wie sollte ich sonst das Opfer solch eigenartiger Umstände geworden sein. Tick, Tack, Tick, Tack, Tick, Tack. Doch meine Welt drehte sich weiter und das Ticken wurde lauter. Es dauerte lange, bis ich verstand, dass du das Ticken bist. Und jetzt schreibe ich dir. Welch wunderliche Welt, wahrlich. Ich muss jedoch zugeben, dass ich nach wie zuvor gefangen in einem ewigen Kreis bin, seitdem ich verstanden habe, was dein Ziel ist. Du läufst selbst in Kreisen, mein Freund, nur dass deiner sich um mich dreht. Wie eine Kerze, die langsam niederbrennt, beobachtest du mein Leben. Je mehr ich über dich nachdenke, desto tiefer ziehst du mich und ich lande in deinem Aschenhaufen. In deiner Asche sind weiße Körner, Körner, die du nie aufzuheben vermochtest und stattdessen mir zuteilwerden lässt. Wenn du sehen könntest, wie ich dir hinterherlaufe, nur um sie dir zu geben, um dir zu zeigen, wie deine Welt sich mit meiner verflocht. Wie du sie immer weiter dazu antreibst, sich zu befreien und dabei lauter tickst. Ich rufe nach dir und du wendest deinen Blick zu mir. Du lachst. Du bist ein Teil von mir, ich weiß. Du nimmst mich mit dir und egal wie sehr ich dabei ertrinke, ich werde nie wieder so frei atmen. Tick, Tack, Tick, Tack, Tick, Tack, rufst du. Tick, Tack, Tick, Tack, und lässt die Welt in Flammen aufgehen. Du zeigst mir Wärme und Eiseskälte, du zeigst mir den trockensten Regenwald und den harmlosesten Schmerz. Soll ich sitzen bleiben, soll ich warten, oder soll ich Tick, Tack, Tick, Tack, mit dir laufen. Wir entdecken die Welt, mein Freund, du und ich und ja, meine Welt versinkt im Nebel, doch ich würde es nie anders wollen. Du bist die ewige Zeit und die Vergänglichkeit der Welt. Du bist die unsterbliche Vergänglichkeit, dachte ich. Doch dann kam der Windstoß und im Bruchteil einer Sekunde Tick, Tack, Tick, Tack, Tick…

 

Nun kann ich wieder klar denken und ich sage dir, ich hätte es ohnehin niemals zugelassen, dass so etwas passiert. Du und ich, wir waren verbunden. Du machtest mich wahnsinnig und unaufhaltbar. Du hobst mich hoch und flogst zum Mond. Ich hätte jedes Unheil der Welt in Kauf genommen für nur noch ein Wunder von dir, für nur noch ein mich wahnsinnig machendes Tick, Tack, Tick, Tack, Tick, Tack. Doch deine Zeit ist gekommen und plötzlich ist mein Fernseher auf leise gestellt, meine Kopfhörer sind im Mülleimer und mit jeder Sekunde warte ich auf dein Tack.

 

Leider ist es so, dass ich das Gefühl dafür längst verloren habe. So nah mir das Tick, Tack auch geht, so sehr es mein Sein begleitet, so sehr ich ein Tack erwarte, tief in meinem Inneren sehnt sich das Epizentrum meiner Wollens nach etwas ganz anderem.

 

Ich kann nicht von dir los, und doch ließest du von mir. Manchmal frage ich mich, ob es das Tick je gab, ob das Tack je meinen Geist so umhüllte. Wie könnte es, wenn es jetzt nicht mehr ist, und ich doch weiterlebe? Ich kann ohne dich schlafen, dem Fernseher zuhören, ich kann ohne dich lachen und mich selbst hören. Ein Tag vergeht, und ich frage mich, wohin du

gegangen bist, ein weiterer und ich frage mich, wann du wiederkommst. Ich frage mich, wieso ich noch hier bin, ohne dich. Du gingst, und auch ich sollte gehen. Auch die Welt geht irgendwann für immer. Wieso also bin ich nicht? Wieso kann ich lachen?

 

Ich sehnte mich, dass du aufhörtest, und ich sehne mich, dass meine Gedanken aufhörten, um dich zu kreisen. Doch tief im Innersten meiner Seele wusste ich, dass du mich nie verlassen würdest. Ich bin in gewisser Art und Weise darauf vorbereitet und lasse mich von all dem nicht beeindrucken. Denn so stark deine Kraft auf mich sein mag, so weiß ich, dein Tick Tack ist nicht alles auf dieser Welt, auch wenn ich es in manchen Zeiten wie Wasser zum Überleben brauche, so schaffe ich dein Tick, aber auch Tack, für kurze Zeiträume zu vergessen. Doch dort ist mein Ersehntes wieder. Tick, Tack, Tick, Tack….

 

Sie behauptet ja immer, es sei warm. Jedoch ohne das Gleichgewicht von Tick und Tack, hin und her, Hitze und Kälte, kann meine Seele keine Balance finden. Mein Herz wird auseinandergerissen, verbrannt und letztlich gefroren, sodass ich die Teile nie wieder aufsammeln kann. Allerdings bleibt ein winziges Teil erhalten, ein winziger Diamant, der im Dunklen schimmert, eine kleine Hoffnung, dass ich eines Tages ein neues Tick Tack hören werde.

 

[Digitale Anschlussgeschichte des Schreibprojekts Literarisches Schreiben am BORG DL 2021: Die Vorgaben lauteten: Fünf Autor/innen haben jeweils einen geheimen Satz in ihrem Abschnitt einzubauen. Der Text wird reihum gemailt, sodass sich am Ende ein Gesamttext ergibt – quasi digitales Stille-Post:

Der Ausgangstext der e-mail-Runde ist: „ich habe länger überlegt, ob ich davon noch einmal anfangen soll. aber natürlich dürfen wir es nicht darauf beruhen lassen, was meinst du?“ Die fünf geheimen Sätze lauten: „nun kann ich wieder klar denken und ich sage dir, ich hätte es ohnehin niemals zugelassen, dass so etwas passiert“ „leider ist es so, dass ich das gefühl dafür längst verloren habe“ „auch die welt geht irgendwann für immer“ „aber ich bin darauf vorbereitet und lasse mich von all dem nicht beeindrucken“ „sie behauptet ja immer, es sei warm“]

 

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Charlie Puhr: 5 cents for regrets and prayers

Emma

Our types of stories don‘t tend to end well.

***

Es macht mich wahnsinnig, Emma, absolut wahnsinnig. Die Schlinge um meinen Hals zieht sich enger und enger zusammen und die Wände des Käfigs kommen näher und näher und was bekomme ich zu hören? Dass ich in diesem System bin. Dass ich eben ein Teil des großen Ganzen bin. Dass ich eben erst ich sein kann, wenn ich mich als ehrwürdig dafür bewiesen haben. Dass ich erst ich bin, wenn ich bewiesen habe, dass ich es verdiene zu leben! Aber Emma, ich glaube daran, dass ich es schaffen kann. Ich glaube daran, dass ich es schaffen kann, ich weiß es, weil es so viele vor mir schon geschafft haben! Aber nicht wie ich. Ich will nicht in dieser Gesellschaft stecken bleiben, wie alle anderen, die nicht zu sehen scheinen, was die Welt im Innersten zusammenhält! Ich will es ihnen zeigen und wenn ich falsch liege, so brenne ich zwar, aber, Emma, dann brenne ich glorios! In Schwarz, Weiß, roten Farben und meine Augen werden Funken des Regenbogens sein. Ich weiß, dass ich es schaffen kann. Emma, wenn ich nur daran glaube und arbeite und Nächte an Schlaf dafür aufopfern kann, Emma. Ich kann es schaffen. Bitte, bitte glaub wenigstens du an mich. Bitte versteh wenigstens du, dass ich so nicht mehr weitermachen kann. Versteh wenigstens du, dass ich nicht weinen werde, wenn ich fliege. Versteh wenigstens du, dass ihre Worte mich nur stärker machen werden, Emma, bitte. Hör du mir zu. Ich lass mich von ihnen nicht mehr einsperren, ich schlüpfe aus ihrem Käfig und zertrümmere ihn mit Genie. Emma, ich kann es schaffen, verdammt, hör mir zu! Bitte dreh dich nicht weg, bitte schließ nicht auch du mich aus und zurück in den Käfig, du verstehst mich doch! Die Fähigkeit ihnen zu zeigen, was uns auseinandertreibt, die hab ich. Sie wartet nur darauf, freigelassen werden. Ich kann sie nicht aussprechen, niemand hört mir zu. Ich bin ein Niemand, den jeder denkt zu kennen, aber Emma, ich weiß es besser, wir sind so viel mehr. Glaub an mich, ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen. Gib mich noch nicht auf, und ich verspreche, ich werde dir zeigen, dass ich es wert war. Dass ich es wert bin.

Ich bin es wert, Emma.

***

Ich bin die Worte, die sie sprechen, ich bin der, der schreien und laufen kann, während sie mich herumwerfen und sich in die Hirne brennen. Emma, ich bin, was sie denken, das sie beherrschen. Ich bin ein Feuerkopf, aus dem die Lava hervorsprudelt, um das zu werden, das sie denken, schon zu besitzen. Emma, ich bin der, dem niemand und doch jeder zuhört. Ich bin der, der brennt mit einer Passion, die sie nicht niederschreiben können, weil sie mich nicht niederschreiben können. Ich bin ihre Musik und ihr Ton, ihre Melodie, ihr Klang, ihre

Konstellationen, Muster, Formen und Zusammenspiele, ich bin sie, Emma, aber sie sehen das nicht. Ich bin die Worte, die alle niederschreiben, aber nicht sehen können! Sie verwenden sie wie das Selbstverständlichste auf Erden.

Doch ich bin nicht selbstverständlich Emma. Ich will ein Privileg sein und ich will sie es sehen machen! Ich will ihnen den Spiegel vorhalten und sie ihnen wegnehmen. Ich bin die Worte, die sie sprechen. Was würden sie ohne sie machen? Verderben, sterben, verkommen, das würden sie! Und trotzdem sehen sie niemand anderen als einen mickrigen Unterling, wenn sie mich ansehen. Sie sehen den Außenseiter. Wenn sie nur wüssten, was dieser Außenseiter in sich hat. Wenn sie nur wüssten.

Du weißt es aber, Emma, oder?

***

Ich werde sie dazu bringen, mich zu sehen, Emma. Ich kann es schaffen, wenn mir nur jemand hilft, endlich auszubrechen. Wenn ich nur jemanden hätte, der mich auf der anderen Seite des Käfigs erwartet. Wenn ich nur jemanden hätte, der mich aus einem anderen Käfig anfeuert, so dass ich sein werde, was sie nie waren. Glaub mir, verdammt, ich schwöre dir, ich werde es schaffen, und wenn ich es nicht tue, dann werde ich sterben beim Versuch.

***

Emma, du weißt doch, dass ich nur übertreibe, um es ihnen zu zeigen. Und doch schauen sie weg! Doch, denken sie, ich wäre verloren. Ich bitte sie, mich zu sehen, mich wenigstens eines Blickes zu würdigen, doch plötzlich tragen sie Scheuklappen. Ich bitte sie zu hören, mir die Hand auszustrecken, und sie drehen sich weg! Ich verkrieche mich in Einsamkeit, um ihnen schlussendlich zu zeigen, was ich kann, was ich bin, aber Emma, sie hören nicht! Warum können sie mich nicht hören? Ich bin gierig nach allem und mehr, ich will das Gold der Sterne holen und ihnen zeigen, was es denn in sich trägt! Ich will ihnen zeigen, dass ich es trage, Emma, doch sie verschließen sich! Sie kritisieren und ignorieren und verlieren mich, anstatt mir ein offenes Ohr zu leihen. Emma, bitte versteh mich! Bitte streck deine Hand nach mir aus. Bitte verdrehe du deine Augen nicht und wende dich weg, sondern sieh mich an, wie ich bin. Nimm doch bitte meine Hand!

Jemand muss doch an mich glauben. Irgendjemand muss doch dort draußen sein, der mich sieht, der versteht, was meine Seele will. Irgendjemand muss doch sein, der die Magie in dieser Welt noch nicht verloren hat, es kann doch nicht jeder an dieser öden Realität festhalten. Emma, bitte sag mir, dass es noch Menschen da draußen gibt, die den Funken der Welt noch nicht aus den Augen verloren haben.

Ich suche nach Anerkennung auf meine Art, Emma, und auf einmal verschließen sie sich. Selbst die, die vorgaben, in meinem Käfig zu sein, drehten sich plötzlich weg und wir waren Meilen voneinander entfernt. Ich kämpfe um Anerkennung auf meine Art, mit dem, das ich bin, und sie sehen es nicht. Emma bitte. Hör mir zu. Ich zeige ihnen, was ich bin, und sie nehmen mich und werfen mich weg, weil ich nicht ins Netz passe. Nur der Teil, den sie

kennen, passt, aber sobald ich mich öffne, Emma, sie werfen mich weg! Vernichten mich! Wie soll ich so weitermachen?

***

Ich will sie zerstören, Emma, zu Boden walzen und ihnen zeigen, was ich kann. Ich werde sie sehen machen, wenn sie es alleine nicht schaffen. Jeden Tag wird das Bedürfnis danach, sie einfach zu überfahren mit meinem Glanz, größer und stärker und ich weiß einfach, dass ich ihn nicht mehr lange unterdrücken kann. Bitte versteh mich. Wenn mich niemand als das sieht, was ich bin, dann werde ich ihnen eben zeigen, wer der ist, den sie sehen. Dann werde ich diese Version wahr machen, aber in einem abscheulich verdrehten Ich, das niemand erwarten wird. Ich werde ihnen zeigen, was ihre Erwartungen und Vorstellungen und Glauben aus mir gemacht haben, ich werde ihnen zeigen, was in mir steckt und ich werde sie zu Boden stampfen, wie es noch niemand anderer gemacht hat. Du verstehst mich doch, oder nicht, Emma? Du weißt genau, wovon ich rede, du weißt genau, was ich meine, wenn ich sage, dass ich ich selbst und nicht ihr Eigentum bin. Du weißt doch, dass ich der bin, den niemand sieht. Du kennst mich, wie niemand anderer. Bitte halte mich davon ab, Emma, bitte. Bitte sei du doch unser Gehirn und zeige mir, was normales Leben ist. Lehre mich, zu atmen und zu leben, und zeige mir, was es denn wirklich heißt, zu laufen. Zeige mir, wie es sich anfühlt, zu atmen. Bitte bring mir bei, wieder Mensch zu sein, oder bring es wenigstens den Teilen bei, die von mir übrig sind. Bitte zeig den Menschen da draußen, was sie wirklich sind, und zeig mir, was es bedeutet, Mensch zu sein. Zeig mir, wie ich normal werde. Bitte, Emma, ich werde verrückt hier, kann ich nicht einfach normal sein? Kann ich nicht einfach laufen wie jeder andere und weinen wie jeder andere und schreien wie jeder andere und ihnen zeigen, wer ich bin, wie jeder andere. Kann ich ihnen denn nie zeigen, was es bedeutet, ich zu sein? Kann ich ihnen je zeigen, was in dieser Welt liegt? Werden sie es je verstehen? Emma, bitte sag, dass du es verstehst. Du musst nicht einmal mich verstehen, ich habe mich selbst schon aufgegeben, aber bitte zeig mir, was es bedeutete, verstanden zu werden und zu stehen. Zeig mir, wie ich es schaffen kann. Und schaffe es selbst, bevor du dich verlierst. Gott, bitte, Emma verlier dich nicht selbst. Nicht wie ich. Stürze nicht in dieses Chaos aus der scheinbar heilen Welt, in das ich gefallen bin. Bitte, zeig dir selbst, was es bedeutet zu leben und lasse dich nicht abdriften, wie ich es mir selbst angetan habe. Bitte, verdammt, hör mir zu! Jetzt ignorier mich doch nicht! Verschließe deine Augen nicht vor dem Offensichtlichen, nicht vor mir! Bitte, atme. Atme mit einem normalen Menschen auf dieser Welt. Bitte lösch all diese Briefe und diese Welt und mich mit ihnen. Zerstöre mich, bevor ich sie und dann auch dich zerstöre. Bitte, Emma, ich will dich nicht zerstören. Ich will, dass du die Welt in die Ordnung bringst, die jeder andere zerstört hat. Ich will, dass du einen Schluck vom Brunnen des Wahnsinns nimmst, bevor es der Rest der Welt tut. Zeig es ihnen und Gott, bitte sperr mich nicht mehr ein, wenn du fertig bist. Nimm meine Hand, zieh mich aus dem Käfig und zeig mir die Welt. Zeig mir das Chaos und vielleicht, vielleicht wird das Chaos in mir drinnen weniger. Vielleicht werde ich wieder normal denken, so normal, wie es noch niemand vor mir getan hat. Vielleicht, werden Sinne wieder blau und vom roten ist nichts mehr übrig, Emma, ich will nicht mehr brennen, ich will nicht mehr verschlungen werden, sondern mit dem Chaos einfrieren. Vielleicht wird sich gefrorenes Chaos ja näher an Normalität anfühlen. Vielleicht wirst du die sein, die uns erlöst, bevor ich uns zerstöre. Bitte, halt mich nicht zurück. Aber bitte erreich du selbst dein Ziel, bevor ich meines überhaupt sehen kann. Bitte hilf mir, Emma. Bitte.

***

Was mach ich hier überhaupt? Ich schreibe leere Briefe an eine wahrscheinlich noch leerere Person. Warum antwortest du mir nicht, Emma? Warum hörst du immer nur meinem Elend zu, anstatt mir zu helfen. Ich habe das Gefühl, ich bin dir egal … Warum antwortest du nicht? Warum widersprichst du mir nicht? Hörst du mich denn nicht? Ich rufe nach dir! Ich rufe und rufe und doch kannst du nicht hören! Kannst du dich noch daran erinnern, als ich meinte, ich hätte das Talent dazu, es ihnen zu zeigen? Ihnen zu zeigen, was meine Worte wert sind? Wie lächerlich ich doch bin. Ich habe versucht es ihnen zu zeigen, aber sie haben nicht gehört! Sie haben nicht geantwortet, Emma. Sich nur lustig gemacht, das haben sie. Sie haben mich ignoriert, haben gemeint, sie verständen nicht. Verdammt, Emma, ich versuche es doch schon so sehr. Jeden Tag und jede Nacht arbeite ich mehr und mehr daran, sie hören zu machen. Emma, bitte, versteh mich doch. Warum können sie nicht einfach verstehen? Warum müssen sie fragen und fragen und fragen, warum müssen sie lachen, anstatt sich darauf einzulassen? Weißt du, wie weh es tut, Menschen zu haben, die über deine Arbeit lachen, Emma? Es zerfrisst mich von innen. Aber wer bin ich schon, um dir davon zu erzählen, du lachst ja wahrscheinlich selbst gerade. Ich will einfach jemanden, der mir sagt, dass das, was ich tue, gut ist. Dass ich gut bin.

***

Wer bin ich?

***

Es ist zu viel, Emma. Es ist viel zu viel. Ich kann nicht mehr. Warum muss die Welt so funktionieren? Warum werden die Stimmen der Falschen ermutigt und zum Himmel erhoben, aber keiner kleinen Stimme wird geglaubt? Warum rufen sie zum Himmel hinauf und werden erhöht, doch die, die es verdienen, erhört zu werden, werden in die Tiefen gestürzt, um zu verrotten? Emma, antworte mir doch, Gott, bitte, ich brauch dich jetzt.

Emma bitte hör mir doch zu. Emma.

Emma.

Bitte, hör mich.

Hör meine Stimme.

Bitte versteh mich.

Emma.

Verdammte Scheiße, ich will so laut schreien, dass ich keine Stimme mehr habe, und so lange weinen, bis ich vertrockne, und Scheiße, ich will, dass es aufhört Emma! Emma bitte! Ich brauche jemanden! Ich bin so verdammt allein. Und durch dich bin ich nur noch einsamer.

Halte mich einfach. Warum muss das hier sein, was Menschen als Leben bezeichnen. Kann ich nicht einfach einmal etwas von mir geben, ohne mich selbst zu hinterfragen. Emma, warum. Warum.

***

Emma

I think there’s so much beauty in darkness because where nothing is, everything can be created. Like normal and unexciting days leave room for the unexpected. The darkness is like a normal day, nothing, anyone would ever talk about again because nothing happened that would make it worth it. No one would go back to reexperience it. No one would go back to the darkness because it looks the same wherever you are, but the darkness isn’t meant to be seen but meant to be understood and meant to be felt and meant to be heard. The darkness doesn’t feel the same everywhere. In a tent under a star-clattered sky it feels liberating and magical and new and exciting. On the floor of your room at night it’s familiar and yet so strange, it cares for you. In the middle of the night, under a clouded sky and in the middle of a skater park – a paradise of concrete – it tells you stories of the daytime and finds peace, when usually everything around it is so alive, one could only dream about it. The darkness is different when you’re alone and it’s different when you’re drunk with friends and it’s different when we’re happy and it’s different when we’re sad and it persists and persists and persists, but it’s never the same, it’s always this swirling wonder of nothingness. But no one looks at her, no one looks at the darkness because no one thinks about her. The darkness is forever trapped in herself because how can she ever show people her full potential when no one will ever look. The darkness itself – her feelings and motives and dreams and protectiveness and secrets – is hidden away in the darkness, hidden away in a place no one ever looks because from the outside it always looks the same. The darkness is hidden in darkness, and I want people to see her, want people to see her wonderfulness and potential and love. I want her to be and I try to make people see all she is. All her wonders and all her secrets forever hidden away, only to be discovered in dreams. She wants to be seen. I want people to see her, seeing the darkness means understanding her and I want people to try to understand her, to try to look behind the facade and see her for what she is.

***

I want people to see you, Emma. Why won’t you respond. See, what’s so special about my life is that no one’s there who could ever know you. No one who could ever have a look at you and understand what you and I have, what it’s like to be and not to be, what it’s like to run and stand still and what it’s like to be. Truly be … Have you ever been Emma? Have you ever breathed and felt air and not dust and have you ever screamed and felt relief and not pain, have you ever run and felt the road under your bare feet instead of the soles of your shoes. Were you ever involved in what living actually is. Have you ever lived or have you been forced to be what people make you out to be, have you ever looked in the mirror and seen yourself instead of a person, seen what everything is that you are and did not run away from it or tried to change it for the better, have you ever been happy with what you are. With who you are.

I know you.

You’re not yourself, are you, Emma? You pretend you are but you run. But you run differently, not like I do. Not like you want to be what you truly are, but like you’re trying to escape that person, like you’re trying to never be again and simply find your end. That’s why you don’t respond, isn’t it? That’s why you only ever watch me falling apart in my own little world. That’s why you let me watch you through the looking glass and never question anything you do. Well, you’re wrong, Emma. You’re so wrong, so wrong just like my mother, just like the world! Can’t you ever just make me breathe, just let me run and scream and cry and feel. Have you ever felt, Emma?

Of course, you haven’t.

Why would I ever think you’re capable of feeling, you’re an escapist just like me. You’re not the one to watch it all happen, you’re the one to run from it. You’re everything I’m not and everything I wish I was and everything that life should be when it’s at its best. The best that kills people. You’re going to kill me, Emma.

Just like her.

***

Wer bin ich?

***

Have you ever been to church, Emma? It’s a cold and dark place, a place only people who believe visit. Do you believe? I don’t. Why would I? My mother says not believing isn’t natural and she always told me I’m not what she wanted me to be, I’m not what the whole family wanted me to be, which is why I’m not a believer but a fuck-up. I’m what everyone runs from and god if I’m not proud of it.

Hah, did you see me calling him god just now? Ironic, isn’t it.

***

It has been too many days. Do you even know my name?

Do you know who I am? I don’t.

My name is Jo, if you ever were to care. I don’t know, maybe you’re gonna tell your family about me. Do you have a family?

I do, but sometimes I wonder if I do or if it’s all just on paper. I don’t feel like they’re my family, I don’t feel like they belong here, just like I don’t belong with them. They’ve probably found their place in the world, with god. They go to church every Sunday and sometimes, when they’re feeling especially bad (probably because of me)… Mother says she can pray my sins away. For just five cents she can light a candle in church and talk to God. All we are is 5 cents for regrets and prayers.

Where is the difference between love and like, where’s the difference between being and standing, where’s the difference between you and me, Emma?

***

Manchmal denke ich, du bist gar nicht da, hörst mir gar nicht zu. Oder du sitzt doch auf der anderen Seite und lachst dir ins Fäustchen. Du ergötzt dich an der Verzweiflung eines mickrigen Unterlings, nicht wahr Emma.

Ich weine.

Du lachst.

***

Wer bin ich?

***

Emma

Erst wenn der letzte Groschen gefallen und dein Gehirn schwebt. Erst wenn das Auge hinter dem Vorhang verklingt. Erst wenn das Leben schwindet. Worte bedeuten nicht viel, wenn sie vom großen Ganzen verschluckt werden. Nichts bedeutet viel, wenn es verschluckt wird. Aber wenn man ganz kurz davorsteht, selbst verschluckt zu werden, wenn der Abgrund lockt und Worte einen in ihren Kokon spannen, dann versteht man sie plötzlich. Dann bedeuten sie etwas. Aber dann ist es zu spät. Ihre Gedanken wanderten im Kreis. Sie standen auf. Sie sahen sich um. Sie schlangen ihre Arme um sich selbst. Die Weite hinter dem Fenster zog sich zusammen und baute sich als Wall vor ihnen auf. Doch sie wichen nicht zurück. Es war zu spät. Ihre Augen schlossen sich.

***

What do you think about this, Emma? I wrote it last night when the clouds had just dissipated. I didn’t feel alive then and I don’t feel alive now. I do feel you, though. Do you exist? Will I ever know? There’s so many things I want to know.

Am I loved, Emma? Are you loved? Have you ever been loved? I hate the word loved, it means too much for a gesture too small.

Hate is a strong word, I won’t argue with that. It means so much for something so small, but aren’t sometimes the smallest problems the worst ones? You may ask why and let me tell you Emma, the answer is easy. It’s because we don’t talk about them. Small problems seem insignificant. Everyone thinks they simply shouldn’t care about them, because they’re so little, they shouldn’t mean anything! But they do.

And another problem arrives. And another one and another one. They’re all small, some bigger than others but that doesn’t make a difference, does it? A few centimeters more than before don’t change the insignificance. But more centimeters mean they take up more space. And more used space means less free space. Less room to cope with more problems that you will inevitably run into.

Yes, I would say I hate these small insignificances. They’re the part of the war no one pays attention to until it eventually makes its move and it’s a crucial, crushing one. I want to say I love you, Emma, but I don’t because I don’t know you. I would say, however, that I don’t hate you, either. Because I know too little about you and you know too much about me.

***

Wer bin ich?

***

Emma

Wenn du mich sehen könntest, in jedem Moment meines Lebens, jeder Stunde, in der ich versuche zu sein, jede Minute, die ich versuche zum Zählen zu bringen, jede Sekunde, in der ich versuche zu bleiben. In jedem Moment, der niemals zählen würde, weil wir in der Vergangenheit leben.

Ich sehe dich

***

Was sind wir?

Wir sind Extraordinäre.